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Deutscher Balladenborn: Der Knabe im Moor

Kürzlich stand ich während eines gemeinsamen Ausflugs mit meiner Freundin Antje am Rand des Hiddeser Bents – dem letzten noch lebenden Hochmoor Nordrhein-Westfalens. Und aus einer meiner entferntesten Gehirnecken bahnten sich die ersten beiden Zeilen einer Ballade von Annette von Droste-Hülshoff den Weg aus meinem Mund:

„O schaurig ist’s, übers Moor zu gehn,
Wenn es wimmelt vom Heiderauche …“

Weiter kam ich leider nicht, ich konnte mich nur noch dumpf erinnern, dass die Ballade recht düster war. Das Ende der Geschichte war glaube ich auch tragisch – kann aber auch sein, dass ich da was mit Stroms Erlkönig verwechselt habe. Eigentlich wollte ich dann zu Hause nochmal nachlesen, aber wie es mir so oft geht: Moor aus den Augen – Ballade aus dem Sinn! 😉

Heute sortierte ich einige Neuerwerbungen aus den Kartons ins Kellerlager. Dabei fiel mir ein Buch herunter und komischerweise blieb es aufgeschlagen liegen. Und was steht da auf Seite 30 des „Deutschen Balladenborn für jung und alt“? Genau: Der Knabe im Moor.

Und weil die Ballade wirklich schön ist, hier für alle zum lesen, erinnern und geniessen:

Illustration zu "Der Knabe im Morr" aus "Deutscher Balladenborn für jung und alt (1904)
Illustration zu „Der Knabe im Moor“ aus „Deutscher Balladenborn für jung und alt“ (1904)

Der Knabe im Moor
Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848)

O, schaurig ist’s, übers Moor zu gehn,
Wenn es wimmelt vom Heiderauche,
Sich wie Phantome die Dünste drehn
Und die Ranke häkelt am Strauche,
Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,
Wenn aus der Spalte es zischt und singt –
O, schaurig ist’s, übers Moor zu gehn,
Wenn das Röhricht knistert im Hauche!

Fest hält die Fibel das zitternde Kind
Und rennt, als ob man es jage;
Hohl über die Fläche sauset der Wind –
Was raschelt drüben am Hage?
Das ist der gespenstige Gräberknecht,
Der dem Meister die besten Torfe verzecht;
Hu, hu, es bricht wie ein irres Rind!
Hinducket das Knäblein zage.

Vom Ufer starret Gestumpf hervor,
Unheimlich nicket die Föhre,
Der Knabe rennt, gespannt das Ohr,
Durch Riesenhalme wie Speere;
Und wie es rieselt und knittert darin!
Das ist die unselige Spinnerin,
Das ist die gebannte Spinnlenor’,
Die den Haspel dreht im Geröhre!

Voran, voran, nur immer im Lauf,
Voran, als woll’ es ihn holen;
Vor seinem Fuße brodelt es auf,
Es pfeift ihm unter den Sohlen
Wie eine gespenstige Melodei;
Das ist der Geigenmann ungetreu,
Das ist der diebische Fiedler Knauf,
Der den Hochzeitheller gestohlen!

Da birst das Moor, ein Seufzer geht
Hervor aus der klaffenden Höhle;
Weh, weh, da ruft die verdammte Margret:
„Ho, ho, meine arme Seele!“
Der Knabe springt wie ein wundes Reh,
Wär’ nicht Schutzengel in seiner Näh’,
Seine bleichenden Knöchelchen fände spät
Ein Gräber im Moorgeschwehle.

Da mählich gründet der Boden sich,
Und drüben, neben der Weide,
Die Lampe flimmert so heimathlich,
Der Knabe steht an der Scheide.
Tief athmet er auf, zum Moor zurück
Noch immer wirft er den scheuen Blick:
Ja, im Geröhre war’s fürchterlich,
O, schaurig war’s in der Heide!

Und wer jetzt bis zum Ende gelesen hat (oder zumindest den letzten Absatz), weiß, dass ich mich geirrt habe: keine Tragödie sondern ein Happy End! 😉

Erinnert Ihr Euch auch noch an Gedichte, die Ihr in der Schule gelernt habt? Und könnt Ihr die noch komplett oder wenigstens teilweise aufsagen?

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